Anlässlich des 74. Jahrestages des Widerstands von Sinti und Roma im Konzentrations- und Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau am 16. Mai 1944 fand in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in der Stauffenbergstraße 13-14 in 10785 Berlin eine Gedenkveranstaltung statt. Die stellvertretende Leiterin der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Dr. Christine Müller-Botsch, sowie der Projektmitarbeiter des Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Tobias von Borcke, haben in ihren Einführungsreden auf die bisher unzureichende Auseinandersetzung mit dem Widerstand von Sinti und Roma gegen den Nationalsozialismus im aktuellen Bildungscurriculum hingewiesen. Als im Anschluss daran Petra Rosenberg, die Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, vor das Publikum trat, wurde es still im Saal 2 A. Petra Rosenberg berichtete den Gästen, die sich aus Überlebenden des Holocaust, Verbandsmitgliedern sowie Schülerinnen und Schülern der Friedenauer Gemeinschaftsschule zusammensetzten, über ihren Vater, Otto Rosenberg, der als einziges von 11 Geschwistern den Völkermord an Sinti und Roma überlebte und erst 50 Jahre nach dem Geschehenen über das Grauen zu sprechen vermochte. Seine Erinnerungen hielt er in dem Zeitzeugendokument „Das Brennglas“ fest. Petra Rosenberg hat wiederkehrend die von ihm durchlebten Grausamkeiten beschrieben und über die Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesprochen. Nach der Lesung wurden die Schülerinnen und Schüler von der Dozentin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Frau Sieg, durch die Gedenkstätte geführt und dazu eingeladen, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, um in dem sich anschließenden Workshop ihre Kenntnisse bei der Arbeit mit zum Teil unveröffentlichten Bildungsmaterialien zum Thema Widerstand der Sinti und Roma gegen den Nationalsozialismus zu vertiefen. Hierbei lernten sie über das Wirken von Otto Rosenberg hinaus auch auszugsweise das Leben des Boxers Johann Trollmann kennen, der seinen letzten Boxkampf nutzte, die Bühne „mit geweißten Haaren und weißgepuderter Haut“ zu betreten, um öffentlich die nationalsozialistische Rassenpolitik anzuprangern. Besprochen wurden auch Auszüge aus der Biografie über Walter Stanoski Winter, der mit seinem Bruder „an der Planung und Durchführung des Aufstandes der Sinti und Roma am 16. Mai 1944 beteiligt war“. Ganz nach dem Motto der Mitbestimmung konnte die Schülerschaft ihre Fragen und kritischen Anmerkungen an die Dozentin richten, u. a. dazu, warum in den Materialien überwiegend keine weiblichen Biografien aufbereitet wurden. Dies, so die Dozentin, gelte es, in den bisher wenig erforschten Dokumenten noch nachzuholen. Mit der zeitnahen Veröffentlichung der Bildungsmaterialien zum Widerstand von Sinti und Roma im Nationalsozialismus wird ein sehr wertvoller, längst überfälliger Beitrag dazu geleistet, auf den Widerstand dieser verfolgten Gruppe stärker aufmerksam zu machen.
Dr. Christian Discher