„Ist das drastische Bienensterben noch zu stoppen?“, fragen sich die Schüler*innen der Grund- und Sekundarstufe der Friedenauer Gemeinschaftsschule, in der die Schülerfirma Holzwurm und die Botanikschule die AG Bienenkunde bei der Umsetzung der Aufklärungskampagne „Rettet die Bienen“ in Tempelhof-Schöneberg tatkräftig unterstützen.
Im Jahre 1900 lebten in Deutschland noch etwa 2,6 Millionen Bienenvölker, deren Zahl sank bis heute auf nur noch etwa 0,8 Millionen. Dank des gestiegenen Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und dem damit einhergehenden Interesse an unseren Bienen konnte der Abwärtstrend zumindest seit Beginn des Jahrzehnts gestoppt werden.
Gründe für den dramatischen Rückgang der Bienenpopulation sind vielfältig. Als eine der Hauptursachen für das Bienensterben werden die in der Landwirtschaft verwendeten Neonicotinoide verantwortlich gemacht. Sinn und Zweck des Einsatzes von Neonicotinoiden ist es, für Pflanzen schädliche Insekten zu töten, um eine Ertragsmaximierung in der Landwirtschaft herbeizuführen.[1]
Die von den Bienen aus Regenpfützen an oder auf landwirtschaftlich genutzten Feldern und die über den Nektar bzw. aus den Pflanzen aufgenommenen Gifte führen selbst in geringsten Dosen dazu, dass das sensible Orientierungssystem der Bienen beeinträchtigt wird, die Tiere im Vergiftungsfall zitternd nicht mehr zum Stock zurückfinden und qualvoll sterben.
Nachdem die von der EU-Kommission beauftragte EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) „Risiken für Bienen identifiziert hat“ [1], wurde die Verwendung der zur Stoffgruppe der Neonicotinoide[2] gehörigen Substanzen Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam für die Freilandverwendung untersagt. Dieses Verbot scheint das bestehende Problem jedoch lediglich zu verlagern und wird insbesondere die in der konventionellen Landwirtschaft Tätigen nicht von der Entwicklung und Anwendung alternativer Substanzen abhalten.
Neben dem Einsatz von Insektiziden hat der Anbau von Monokulturen die Zerstörung des Lebensraumes der Bienen zur Folge, die auf ein reichhaltiges Angebot von blühenden Pflanzen mit ihrer jeweiligen artenspezifischen Blütezeit im gesamten Jahresverlauf angewiesen sind. Die aus Asien stammende Varroamilbe ist eine weitere Bedrohung der Bienen, die bei einem Befall des Volkes ohne Behandlung durch den Imker die Abwehrkräfte des Volkes schwächt und am Ende dessen Tod verursacht. Schließlich ergeben sich aus den Folgen des Klimawandels eine Verschiebung der Blütezeiten der Pflanzen und Temperaturschwankungen im Sommer und Winter, die zu enormen Energieverlusten und Stresssituationen in den Bienenvölkern führen.
Unter Berücksichtigung der Bedrohungen, denen die Bienen ausgesetzt sind, sind unsere Städte zum besonders geeigneten Lebensraum für diese geworden. Sie erscheinen wie Oasen in der Wüste, in denen durch die vielfältige Bepflanzung von Balkonen, Gärten, Parkanlagen und Friedhöfen den Bienen in jeglicher Hinsicht über das Jahr hinweg eine besonders große Vielfalt von Blütenpflanzen als Nahrungsquelle angeboten wird. Zudem kommt es in Städten mangels konventioneller Landwirtschaft nicht zum massiven Pestizideinsatz. Auch in Parkanlagen und auf Friedhöfen ist deren Einsatz verboten.
Projektziele
An diesem Punkt setzt die von Herrn Dr. Discher geleitete AG-Bienenkunde an, in der sich seit anderthalb Jahren Kinder theoretisch und praktisch unter Anleitung direkt am Bienenvolk mit dem Wesen des Bien, seiner Rolle für das Ökosystem und mit den vielfältigen Ursachen für das Bienensterben beschäftigen. Die Schüler*innen der Friedenauer Gemeinschaftsschule übernehmen Verantwortung und planen im Rahmen des nachbarschaftlichen Engagements, die Einwohner*innen Berlins für die Rettung von Honig- und Wildbienen zu sensibilisieren. Für diesen Zweck werden auf einer eingerichteten Homepage von den Kindern verfasste Texte publiziert, um interessierten Menschen eine vertiefte Auseinandersetzung zu ermöglichen.
Die unter Mitwirkung von Marén Letze zu erstellenden, barrierefreien Aufklärungsmaterialien (Flyer, Plakate, Videos) werden mit den wichtigsten Informationen über die Bedeutung der Bienen und Wildbienen für das Ökosystem versehen. Auf die Vorstellung verschiedener Pflanzenarten, die von Bienen zu Beginn der Vegetationszeit außerhalb der Haupttrachtzeiten angeflogen werden und als Nahrungsquellen von Bedeutung sind, wird besonderer Wert gelegt. Die Verbreitung der Aufklärungsflyer erfolgt durch die sozialen Netzwerke in Zusammenarbeit mit externen Kooperationspartnern.
Die zur Sekundarstufe der Friedenauer Gemeinschaftsschule gehörige, von Herrn Özdemir geleitete Schülerfirma “Holzwurm“ und die Botanikschule mit Sitz in der Königin-Luise-Str. 6-8 in 14195 Berlin werden den Auf- und Ausbau von Nistplätzen für Wildbienen tatkräftig unterstützen.
Die Durchführung von Tätigkeiten im Rahmen des nachbarschaftlichen Engagements reicht über bekannte Formen regulärer Arbeitsgemeinschaften hinaus und bietet aufgrund der Verknüpfung zwischen Theorie und Praxis sowie der curricularen Anbindung der Inhalte den Kindern die Möglichkeit zu verdeutlichen, dass in der Schule erworbenes Wissen und ihre Kompetenzen für unsere Gesellschaft von beachtlicher Relevanz sind.
Dr. Christian Discher
Die Stiftung Lernen durch Engagement – Service Learning in Deutschland unterstützt das Projekt.
[1] Glyphosat hingegen ist weltweit als Unkrautvernichtungsmittel unter dem Namen Roundup bekannt.
[2]„Neonicotinoide sind eine Gruppe von hochwirksamen Insektiziden. Sie alle sind synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die sich an die Rezeptoren der Nervenzellen binden und so die Weiterleitung von Nervenreizen stören. Neonicotinoide wirken auf die Nervenzellen von Insekten weit stärker als auf die Nerven von Wirbeltieren. Die bekanntesten drei neonicotinoiden Wirkstoffe sind Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam.“